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Der Zeitreisende

Der Potsdamer Historiker Tinko Weibezahl war 1927 Diener und ist 2005 Büroleiter im Bundestag

von Marcel Kirf

Genug ist genug. In Folge 8 der Living History-Serie „Abenteuer 1927 – Sommerfrische“, die heute Abend in der ARD ausgestrahlt wird, wirft Tinko Weibezahl hin. Drei Wochen hat er den Diener in einem Gutshaus der 1920er Jahre gegeben, der „gnädigen Frau“ jeden Wunsch erfüllt, serviert, poliert, die Morgenzeitung gebügelt, isoliert als Prellbock zwischen der undankbaren Herrschaft und dem Personal, das er antreiben sollte, 17 Stunden am Tag, in der Kleidung und vor allem in den Schuhen von 1927. Jetzt sind die Füße entzündet, die Ärzte hinter den Kulissen befürchten eine Ausbreitung der Wundinfektion, zum Beispiel in die Gelenke. Also kündigt er. Die Zeitreise ist zu Ende.
Diese zumindest. Ein gewisser Hang zu Historischem zieht sich nämlich wie ein Leitmotiv durch Weibezahls reales Leben. In seiner Charlottenburger Wohnung steht ein Grammophon, antiquarische Bücher, geschichtliche Artefakte. Und auch sein Werdegang mutet ein wenig wie aus einer anderen Zeit an: 1975 als Sohn eines Offiziers der Volksmarine in Stralsund geboren, Schule und Abitur in Rostock, Austauschschüler im US-amerikanischen Iowa, zwei Jahre Zeitsoldat, heute Stabsunteroffizier der Reserve, während eines Geschichts- und Politologiestudiums in Potsdam wird er Mitglied einer schlagenden Studentenverbindung, was ihm einen „Schmiss“ an der linken Schläfe eingebracht hat. 1999 beginnt Weibezahl ein Praktikum im Bundestag, 2000 wird er studentischer Mitarbeiter eines CDU-Abgeordneten, 2001 Referent bei CDU-Politiker Friedbert Pflüger. Er unterbricht sein Studium, und wird 2003 abgeworben, geht zur Deutschen Afrika-Stiftung, die überparteilich Lobbyarbeit für den Kontinent betreibt, reist nach Namibia, Südafrika, und nimmt nebenher das Studium wieder auf. Er plant, vor der nächsten Bundestagswahl im Jahre 2006 sein Examen zu machen, anschließend wieder für das Parlament zu arbeiten. „Doch dann hat mir Gerhard Schröder einen Strich durch die Rechnung gemacht“, grinst Weibezahl. Die vorgezogenen Neuwahlen brachten ihn unter Zeitdruck, an „sechs, sieben Wochenenden“ schrieb er seine Magisterarbeit, holte Prüfungen nach, die letzten laufen gerade. Lernen muss er nachts, denn tagsüber ist er nun Büroleiter des uckermärkischen CDU-Abgeordneten Jens Koeppen – man könnte sagen: in ähnlicher Stellung wie im Gutshaus der ARD-Dokusoap.
Für diese waren nach dem Erfolg von „Schwarzwaldhaus 1902“ und „Abenteuer 1900“ im Februar 1500 Bewerber gecastet worden, die 15 Auserwählten von Mai bis Juni im mecklenburgischen Belitz sechs Wochen in ihren Rollen gefilmt worden. „Das war echt“, sagt Weibezahl heute, der den zentralen Konflikt mit der Gutsherrin austrug. Die Arbeit, die Aggressionen, die Standesunterschiede waren nicht gespielt. Allerdings: „Mein Projekt, zu den unten nicht zu gehören, ist gescheitert.“ Er habe schnell mit dem Gesinde „fraternisiert“. Die 60köpfige Filmcrew, die immer da aber nie zu sehen war, nannten die Zeitreisenden nur „die Schatten“. Eine „einseitige Vertrautheit“ hatte sich bei diesen eingestellt, wie Weibezahl später merkte, als ihn ihm völlig unbekannte Cutter oder Kameraleute wie einen alten Freund begrüßten, da sie in dreieinhalb Monaten Postproduktion 400 Stunden Material gesichtet hatten.
Für Weibezahl sind die Dreharbeiten bald ein halbes Jahr her, eigenartig wenn Freunde ihn heute auf die jeweils aktuelle Folge ansprechen, als sei das Gesehene gerade geschehen. Anfragen nach seinem Wohlergehen erhält er, einer schrieb „Halt durch!“ via SMS. Und auch im Bundestag scherzen die Kollegen schon mal: „Wo bleibt denn der Kaffee?“. Wieder so eine Zeitreise, eine in die eigene Vergangenheit, wie die Rückkehr auf dem Campus am Neuen Palais, wo Weibezahl sein Studium nach acht Jahren nun abschließt. Trotz der örtlichen Zerrissenheit der Standorte sei er „stolz, froh und zufrieden“, in Potsdam studiert zu haben, bekennt er. Das menschliche Miteinander, die Professoren und Dozenten habe er in guter Erinnerung. Trotzdem, sagt er noch, sei es wichtig, sich rechtzeitig um das Danach zu kümmern. „Ein paar Kommilitonen von mir haben in Rekordzeit studiert. In deren Lebenslauf steht jetzt: Arbeitssuchend.“

Info: „Abenteuer 1927 – Sommerfrische“, Di-Fr, 18.50 Uhr, ARD

(Potsdamer Neueste Nachrichten 21.10.2005)

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