Im Auftrag Ihrer Majestät
von Marcel Kirf
James Bond? Mochte Ken Adam nicht besonders. Er wollte lieber künstlerische Filme gestalten, „seriöse Stoffe“, wie Alexander Smoltczyk das nennt. Getan hat Adam das schon, vor allem später, erschuf den legendären „War Room“ aus Stanley Kubricks „Dr. Seltsam“, der ihm einen von zwei Oscars einbrachte, erfand Filmwelten für „Des Königs Admiral“, „Der rote Korsar“, „Barry Lyndon“, Bertoluccis „Der letzte Kaiser“ und zuletzt István Szabós preisgekrönten „Der Fall Furtwängler“ mit Harvey Keitel. Berühmt gemacht aber haben ihn die klassischen James Bond-Filme. Mit seiner unverwechselbaren Handschrift verlieh Adam den ersten sieben Streifen, von „Dr. No“ über „Goldfinger“ bis „Moonraker“, jenen mystischen Futurismus, der wesentlich zu ihrem Erfolg beigetragen hat.
Alexander Smoltczyk hat ein Buch über Ken Adam geschrieben, der weit mehr ist und war als der stilprägende Produktionsdesigner der 007-Reihe, „kein James Bond-Buch“, wie Smoltczyk beteuert, „sondern nur eines, das mit ihm beginnt“. Für eingefleischte Fans des fiktiven britischen Haudraufs und Frauenvertilgers keine leichte Kost. Denn sie verehren den Mann, der ihren Helden in aberwitzige, comiceske Filmbösewichtwelten stellte.
Das Buch „James Bond. Berlin. Hollywood. Die Welten des Ken Adam“ (260 S., erschienen bei Nicolai Berlin), eines von zweien, die anlässlich des 40. Jubiläums der Kinokarriere des Agenten mit der Lizenz zum Töten am Freitag im Filmmuseum präsentiert wurde, klärt sie auf über den wahren Ken Adam. Der als Klaus Hugo Adam in Berlin geboren wurde, als Sohn des erfolgreichen jüdischen Textilfabrikanten Fritz Adam, welcher unter anderem den legendären deutschen Rennfahrer Rudolf Carraciola im originalen Silberpfeil und den Polarforscher Amundsen ausrüstete. Der vor den Nazis flüchten musste, dann Kampfflieger der Royal Air Force wurde, schon zu dieser Zeit „ein junger Exilant, dem seine Welt geraubt worden war und der sein ganzes Leben damit verbringen sollte, sich neue Welten zu bauen“. Der in Amerika seinen Namen änderte und beim Film einstieg. Stark beeinflusst vom deutschen Kino der 20er und 30er Jahre, sei es durch die seither unerreichte Vertikalität und Dichte von Fritz Langs Zukunftsstadt „Metropolis“ oder die expressionistischen Kulissen der zeitgenössischen Werke etwa Murnaus, ihre Schattenwürfe und aphoristische Tiefenschärfe, begann der ausgebildete Architekt seine kreative Flucht in die Fiktion. Und kämpft bis heute gegen die Schattengitter der Hauptquartiere und Folterverließe eines Blofeld, Stromberg oder Goldfinger, die sich wie selbstgeschaffene Chimären über sein Leben legten.
Zahlreiche Zeichnungen, Vorstudien, Entwürfe und Baupläne für Filmsets aus der Feder Ken Adams, Abbildungen seiner „Architektur der Phantasie“, wie Volker Schlöndorff sie im Vorwort nennt, zeigt Smoltczyk in seinem Buch. Und erzählt mit einigem Tremolo das Leben dieses außergewöhnlichen Mannes, das so interessant – und doch – vielen so unbekannt geblieben ist.
Kaum Werbung hingegen brauchte „Das große James Bond Buch“ des renommierten Filmjournalisten Siegfried Tesche. Die Fibel der „Oh! James!“-hauchenden Cineastenschar ist ein Selbstläufer. Die neue Ausgabe ist die vierte seit 1995, und gerade überarbeitet erschienen (464 S., Henschel Berlin). Es ist kein offizielles James Bond-Buch, wie schon am Vorwort deutlich wird: Dort geißelt Tesche die hermetische Promotionspolitik der Eon-Productions, welche die alleinige Deutungsmacht über den Geheimdienstler ihrer Majestät beanspruchen.
Das ausgelobte Vierzigste, verkündet Tesche dann auch bei der Präsentation seines aktualisierten Almanachs, müsste eigentlich ein bald Fünfzigjähriges sein, der mit üblichem Brimborium gehypte „Bond 20“ („Die another Day“, ab Dezember im Kino) sei in Wirklichkeit Werk Nummer 22 oder 23 – je nachdem, ob man eine frühe Fernsehfassung mit Peter Lorre mitzählt. Tesche weiß alles, was man über 007 wissen kann, beantwortet mit sichtlicher Freude Fragen aus dem Publikum. Er hat alle Zahlen, Namen, Daten, Orte parat, muss nicht einmal nachschlagen und prahlt ein wenig mit seinen Kontakten zu allen wichtigen Beteiligten an den Filmen, die er über die Jahre gesprochen hat.
Als Bon(d)bon gibt es dann neben drei der besten 007-Streifen an diesem Tag im Filmmuseum noch sechs (deutsche) Originaltrailer zu sehen, in ihrer Dramatisierung („Jetzt noch härter als der letzte“, „Verfolgungen durch Urwald, Busch und Moor – mit Roger Moore“) hochgradig unterhaltsam. Und ein bisschen lächerlich.
(Potsdamer Neueste Nachrichten 07.10.2002)